Deutsche empfinden ihr Land als digital abgehängt

Deutsche empfinden ihr Land als digital abgehängt
Viele Befragte geben an, ihre digitalen Fähigkeiten würden bald nicht für ihren Job ausreichen (Foto: milanvirijevic)
Deutsche empfinden ihr Land als digital abgehängt
Viele Befragte geben an, ihre digitalen Fähigkeiten würden bald nicht für ihren Job ausreichen (Foto: milanvirijevic)

Industrie und Arbeit sind die zentralen Themen des zweiten Teils der großen Tech-Akzeptanz-Studie des Vodafone Instituts. Auch hier klafft eine Lücke zwischen Deutschland und der digitalen Elite.

Die Deutschen sehen den Digitalisierungsgrad ihres Landes besonders pessimistisch. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie („The Tech Divide: Industrie und Arbeit“) im Auftrag des Vodafone Instituts, umgesetzt durch das Meinungsforschungsinstitut Ipsos. 59 Prozent der befragten Deutschen stimmen der Aussage zu, dass ihr Land bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Dies ist der höchste Wert aller befragten Länder, noch vor Indien (57 Prozent) und Bulgarien (55 Prozent). Am wenigsten pessimistisch sehen sich in dieser Hinsicht China (27 Prozent) und Schweden (16 Prozent). Auch im direkten Vergleich der Nationen bzw. Kontinente gelten USA, China und Schweden als digitale Elite-Nationen.

„Dass eine Mehrheit der Deutschen ihr Land digital abgehängt sieht, ist ein Weckruf an Politik und Wirtschaft. Deutsche nutzen rund um die Uhr ihr Smartphone, kaufen online ein oder streamen Filme – im eigenen Unternehmen, beim Arztbesuch oder im Rathaus hingegen erleben viele Menschen Deutschland noch als weitgehend analog. Digitalisierungsstrategien in Politik und Wirtschaft werden nur greifen, wenn Menschen konkrete Verbesserungen in ihrem Alltag erfahren“, erläuterte Inger Paus, Geschäftsführerin des Vodafone Instituts, die Ergebnisse der Studie. „Angesichts der weit verbreiteten Angst vor Arbeitsplatzverlust durch Digitalisierung braucht es aber auch mehr Eigeninitiative in punkto lebenslanges Lernen: Nicht nur Staat und Unternehmen sind für die Vermittlung von Kompetenzen für eine digitale Welt verantwortlich, sondern jeder Einzelne auch selbst. Das haben viele Deutsche im Vergleich zu Menschen in China und Indien noch nicht verinnerlicht.“

Weit über die Hälfte der Befragten stimmt der Aussage zu, dass Digitalisierung und neue Technologien zum Verlust von Arbeitsplätzen führen werden. Vor allem in Großbritannien (70 Prozent), den USA (66 Prozent) und Deutschland (65 Prozent) wird dies so gesehen. Nur in China (45 Prozent) findet sich für diese These keine Mehrheit.

Weniger Zeit zur Weiterbildung in Europa

Laut Umfrage besteht ein großer Nachholbedarf beim Erwerb digitaler Fähigkeiten. So gibt eine Mehrheit aller Befragten an, dass ihre derzeitigen digitalen Fähigkeiten künftig nicht für ihren Beruf ausreichen werden. Dies sehen vor allem Menschen in Asien so. Zudem stellen Arbeitgeber in Asien ihren Angestellten wesentlich mehr Zeit zur Weiterbildung digitaler Qualifikationen zur Verfügung als Arbeitgeber in Europa und den USA. So können 40 Prozent der Chinesen zwischen einer und fünf Stunden der Arbeitszeit pro Woche zur Weiterbildung nutzen, 23 Prozent sogar mehr als fünf Stunden. In Deutschland sind es dagegen nur 19 bzw. 6 Prozent.

Auch die Bereitschaft, sich in der Freizeit weiterzubilden, ist im asiatischen Raum wesentlich ausgeprägter. Rund 50 Prozent der Befragten in China und Indien sind bereit, sich bis zu fünf Stunden pro Woche in ihrer Freizeit weiterzubilden, davon über 20 Prozent sogar mehr als fünf Stunden. In Europa ist der Grad der Bereitschaft signifikant niedriger.  In Italien und Spanien würden 40 Prozent bzw. 41 Prozent der Befragten bis zu fünf Stunden pro Woche investieren, 13 bzw. 11 Prozent mehr als fünf Stunden. In Deutschland und Schweden sind es sogar nur 35 bzw. 26 Prozent (bis zu fünf Stunden) und je 6 Prozent (über fünf Stunden).

Diskrepanz zwischen Europa und Asien

Hintergrund der Studie ist die zunehmende Diskrepanz zwischen Europa und den USA bzw. China bei der Akzeptanz neuer Technologien.  Die Studie untersucht, ob diese Unterschiede auch mit der tatsächlichen Einstellung repräsentativer Teile der Bevölkerung korrelieren. Hierfür wurden insgesamt über 9.000 Menschen in neun Ländern per Online-Umfrage befragt.

„Industrie und Arbeit” ist der zweite Teil der Technologieakzeptanz-Studien „The Tech Divide“. Der dritte Teil erscheint Mitte Februar zum Summit „The Future of Made in Europe“ am 19. Februar in Berlin. Dieser dient als Plattform für Debatten und den Austausch hochrangiger Vertreter aus Wirtschaft und Politik für eine EU-Vision für das digitale Zeitalter. Die Keynote hält Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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