Wie mit Sou Sou Gründerinnen an Kapital kommen

Wie mit Sou Sou Gründerinnen an Kapital kommen

Gründerinnen haben oft Probleme, Investitionen für ihr Start-up zu finden. Sou Sou digitalisiert die Kapitalsuche und verbindet damit Technologie und afrikanische Tradition.

Fonta von Sou Sou (Credit: Vodafone Institut)

Fonta Gilliam ist Gründerin von Sou Sou, einem globalen Fintech-Unternehmen, das weibliche Investoren und Finanzinstitutionen mit Unternehmerinnen verbindet, die nach Investitionen suchen. Sou Sou hat dazu eine neuartige Crowd Banking Plattform entwickelt, um die Lücke für Unternehmerinnen zu schließen, die keine Finanzierung durch traditionelle Banken oder Finanzinstitute erhalten können. Mit ihrem Start-up bietet Fonta über die Sou-Sou-App alternative Finanzierungslösungen an, die Frauen dabei unterstützt, ihre Investorenwürdigkeit zu steigern, indem sie die Kredit- und Barsicherheiten, die sie benötigen, um ein Darlehen von den Partnerbanken und -investoren von Sou Sou zu erhalten, sparen, vernetzen und aufbauen.

Wenn du dich selbst in drei Worten beschreiben müsstest, was wären diese?

Fonta: Leidenschaftlich, hartnäckig und feministisch.

Wie bist du auf die Idee für dein Unternehmen gekommen?

Fonta: Ich habe etwa zehn Jahre meiner beruflichen Laufbahn im diplomatischen Dienst der USA gearbeitet. Ich war Unternehmensberaterin bei Deloitte, einem der größten Beratungsunternehmen der Welt. Ich war beruflich in Afrika, Asien und im Nahen Osten tätig und habe viel mit Frauen – auch mit Männern – gearbeitet und ihnen geholfen, Zugang zu Kapital zu bekommen und innovative Finanzierungsinstrumente zu entwickeln. Und ich muss gestehen: Ich wurde immer frustrierter, weil viele Männer Zugang zu Finanzmitteln bekamen und Frauen nicht.

Es gab hier sehr starke Unterschiede, die Frauen – vor allem in Afrika, aber auch einigen anderen Schwellenländern – wurden oftmals zurückgehalten bei ihren Unternehmungen. Aber ich arbeitete auch mit dieser Gruppe erstaunlicher afrikanischer Exporteurinnen zusammen und sie leiteten wirklich unglaubliche Unternehmen – Millionen-Dollar plus an Einnahmen im Jahr – doch auch sie bekamen keine Finanzierung von Banken und VCs, um ihre Geschäfte zu erweitern.

Auf meinen Reisen von Nigeria nach Kenia, von Ghana nach Tunesien und anderen Ländern begann ich, genau diese Frauen zu befragen: „Wie machst du das? Die Antwort: Sie nutzten informelle “Leihvereine”, um sich gegenseitig bei der Finanzierung ihrer Geschäfte zu helfen, ihre Kinder zur Schule zu schicken, Land zu kaufen und vieles mehr. Wo immer ich war, hieß diese Art der Finanzierung anders, aber es war immer das gleiche Prinzip. Ich fing an, die verschiedenen Übersetzungen dessen, wie diese informellen Vereine in den verschiedenen Ländern genannt wurden, aufzuschreiben: In Ägypten wurden sie zum Beispiel „Gameya“ genannt. Es waren Frauengruppen, die Ressourcen zusammenführten und diese Ressourcen untereinander verteilten und je nach Bedarf tauschten. Ich ging in Dörfer in Kenia und Tansania, wo diese Vereine „Chamas“ hießen, in Nigeria nannte man es „Merry-go-Round“, in Südkorea – wo ich sie überraschenderweise auch fand – hieß es „Gaedon“.

Wie ich schon sagte, fing ich an, alle Namen zu sammeln und Leute darüber zu befragen, wie sie das praktisch angingen. Einige sparten Geld und legten es unter ihre Matratzen, andere trafen sich in Gruppen.

Innocent von Sou Sou (Credit: Nora Heinisch/Vodafone Institut)

Dann hatte ich eine Offenbarung: Was wäre, wenn wir dieses System modernisieren und skalieren würden? Wie können wir diese informellen Spar- und Investment-Clubs so modernisieren, dass sie zum Mainstream werden? Warum verbessern wir nicht diese informelle Tradition, die für Millionen von Menschen existiert und gut funktioniert, indem wir Kreditkreise dabei unterstützen, Kredite aufzubauen, ihr Geld in vermögenswirksame Anlagen zu investieren und sie mit traditionellen Banken und Investoren zu verbinden?

Sou Sou war geboren. Ich habe das Unternehmen nach einer afrikanischen Tradition benannt, die seit Jahrhunderten besteht.  Zugegeben, ich habe die Idee von den erstaunlichen afrikanischen Frauen, die mich während meiner Diplomatentätigkeit so viel gelehrt haben. Ich habe schlussendlich nur einen Weg gefunden, diese Idee in ein modernes Geschäftsmodell zu überführen, das von Fintech unterstützt wird.

Wie hast du dann ganz praktisch mit dem Aufbau deines Unternehmens begonnen? Was waren die ersten Schritte?

Fonta: Ich sprach mit vielen Frauen, Branchenexperten und anderen. Ich fragte sie, ob sie meine Idee für sinnvoll hielten. Gleichzeitig arbeitete ich am Geschäftsmodell und jonglierte parallel mit meinem Privatleben. Ich hatte gerade meine Tochter zur Welt gebracht. Ich war eine alleinerziehende Mutter, als ich Sou Sou gründete und ich war im Begriff, eine sehr lukrative Karriere hinter mir zu lassen. Sou Sou musste Sinn machen, um diesen Schritt zu rechtfertigen.

Nach der Validierung des Geschäftsmodells stand für mich die Frage im Raum, wie ich mein Unternehmen finanzieren kann. Interessanterweise habe ich tatsächlich ein Susu mit ein paar Freunden von der Uni gebildet, um die Geschäftsregistrierung der Firma, unsere Website und grundlegende Kosten zahlen zu können. Kurz darauf bewarb ich mich für ein Stipendium bei Echoing Green, einem Sozialfonds mit Sitz in New York. Echoing Green investierte in mich, als Sou Sou nur eine Idee war.  Ihre Unterstützung war wirklich ausschlaggebend.

Ich wusste auch, dass ich ein starkes Team und Prototyping-Skills brauche. Ich wurde in ein Accelerator-Programm des Digital Financial Services Lab aufgenommen und das war eine lebensverändernde Erfahrung. Dort lernte ich, wie man eine App prototypisch erstellt und mit Silicon-Valley-Tools wie der Sprint-Methodik testet. Im Rahmen dieses Programms in Daressalaam, Tansania, lernte ich Innocent kennen, meinen Co-Founder. Da hat es direkt “Klick” gemacht und ich wusste, wir würden gut zusammenarbeiten.

Es war die Kombination dieser Dinge, die uns innerhalb von acht Monaten geholfen hat, die Idee Sou Sou auf die nächste Stufe zu heben.

Was bedeutet Sou Sou?

Fonta: Unser Name ist ein westafrikanisches Wort, das in Ghana und der Karibik gebräuchlich ist.  Es wird frei übersetzt als „Dorfsparen und Darlehen“ und wie Susu oder Esusu geschrieben.

Du erwähntest vorhin, dass du dich von einer prestigeträchtigen Karriere als Diplomatin verabschieden wolltest und alleinerziehende Mutter eines neugeborenen Babys warst, als du angefangen hast, an Sou Sou zu arbeiten. Wie haben deine Freunde und Familie reagiert?

Fonta: Sie dachten, ich sei verrückt. Ich hatte tatsächlich eine Menge Widerstand. Nicht, weil sie nicht an mich glaubten oder weil sie nicht begeistert waren von dieser neuen Idee. Es ging mehr um meine Tochter. Sie wurde mit Sichelzellenanämie geboren, einer Erythrozytenkrankheit, die bei Menschen afrikanischer Abstammung häufig vorkommt und die eine ständige medizinische Überwachung erfordert. Meine Tochter brauchte und braucht immer noch eine wirklich gute Gesundheitsversorgung und ein stabiles Umfeld. Sie ist ein sehr glückliches Kind und wenn man sie anschaut, würde man darauf kommen, dass sie krank ist.

Meine Familie war besorgt, dass ich für eine fixe Idee einen guten und sicheren Job mit Krankenversicherung aufgab. Die Ironie ist, dass meine Tochter eigentlich auch einer der Gründe dafür ist, dass ich Sou Sou lanciert habe. Damals, kurz nachdem sie geboren wurde, machten wir uns gerade auf den Weg nach China, weil mir eine Stelle als Diplomatin in Peking angeboten wurde. Als wir nach einem Jahr chinesischer Sprachausbildung und Reisevorbereitungen aufbrechen wollten – es war ein großartiger Job, das muss ich zugeben – wurde meiner Tochter wegen ihres Gesundheitszustandes das Reisen untersagt. Das brachte mich dazu, alles neu zu überdenken. Meine Karriere als Diplomatin war nicht mehr tragfähig. Ich konnte nicht einfach alle paar Jahre lang in einem anderen Land leben, weil sie schlichtweg nicht reisen durfte.

Meine Finanzen wurden stark beeinträchtigt. Ich hatte ein Kind mit hohen medizinischen Ausgaben und nach vielen Jahren eines sehr komfortablen und prestigeträchtigen Lebens stand ich plötzlich vor finanziellen Problemen, vor allem wegen dieser hohen medizinischen Kosten. Ich stand plötzlich vor der schwierigen Frage, die praktisch jede Mutter während der Mutterschaft irgendwann einmal gezwungen ist, sich zu stellen: Riskiere ich alles und folge meinen Träumen?  Oder gehe ich für meine Familie auf Nummer sicher?  Ich hatte den Traum, ein eigenes Unternehmen zu gründen, das sich darauf konzentriert, Frauen finanziell zu stärken. Ich konnte es nicht lassen.

Ironischerweise war dies dann genau der Moment, in dem ich mich an ein Susu wandte. Ich bekam die finanzielle Unterstützung für mein Unternehmen weder von meiner Familie oder von Banken.  Ich wandte mich an eine informelle Spargruppe und das bestätigte tatsächlich, dass das, was ich tun wollte, richtig war. Wenn ich zurückblicke, bereue ich nichts. Es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.

Gab es zu Beginn einen Höhepunkt, an den du dich deutlich erinnerst?

Fonta: Ja. Das erste Darlehen, das wir je gewährt haben. Da war diese kenianische Dame, ihr Name ist Zora. Sie hatte ihren ersten Exportauftrag bei einer großen Firma erhalten. Es war sehr aufregend für sie und ich kannte sie aus meiner früheren Arbeit.

Eines Tages kontaktierte sie mich, sehr verärgert, und erzählte mir, dass sie keine Bank dazu bewegen konnte, ihr Geld zu geben, um den Vertrag zu erfüllen. Sie musste eine Menge Handwerker einstellen, um die Produkte herzustellen, die in Amerika verkauft werden sollten. Ich habe versucht, ihr zu helfen, verschiedene Wege zu finden, um das Geld zu bekommen. Ich schlug ihr ein paar Banken vor, die ich kannte. Sie verbrachte Monate damit, nach jemandem zu suchen, der ein Risiko für sie einging. Sie war ein verhältnismäßig neuer Exporteur ohne Erfolgsbilanz oder Sicherheiten, um ihr Geschäft zu unterstützen. Irgendwann wurde mir klar, dass ich sie zu jedem anderen schickte, anstatt ihr direkt selbst zu helfen.

Es war einer dieser „Aha“-Momente, als mir klar wurde, dass dies tatsächlich funktionieren könnte. Innocent und ich kontaktierten ein paar lokale Investoren, die eine Chama, also eine Spargemeinschaft, in der Region betreiben. Viele von ihnen waren auch Frauen, und wir haben sie gefragt, ob sie diesen Deal finanzieren und Zora unterstützen würden. Die Resonanz war unglaublich. Wir waren in der Lage, über $75.000 von einer Chama für Zora zu sammeln. Sie konnte endlich ihren Vertrag erfüllen.

Mein „Aha“-Moment setzte sich fort, als ich erkannte, dass wir ein Netzwerk von Frauen aufbauen können, die sich gegenseitig finanziell unterstützen und sich gegenseitig beim Aufbau ihrer Geschäfte unterstützen. Das war wohl einer der stärksten Momente für mich.

Was war die größte Herausforderung und wie hast du sie gemeistert?

Fonta: Für mich war es wahrscheinlich die Tatsache, dass ich eine schwarze Frau war, viel jünger als meine Kollegen, die in meiner Branche arbeiteten, in der sowieso die Mehrheit der Entscheidungsträger alte weiße Männer sind. In der Banken- und Finanzindustrie grundsätzlich herrschte oft – und herrscht leider auch heute noch – große Skepsis gegenüber weiblichen Gründern.

Ich war eingeladen zum Pitch bei einer berühmten globalen Bank (ich werde hier keine Namen nennen, aber es könnte wahrscheinlich jede Bank gewesen sein). Es gab einen Raum voller alter weißer Männer und ich stelle meine Firma vor. Ich bekam die Finanzierung aus verschiedenen Gründen nicht, und anfangs war es für mich schwer zu akzeptieren, weil ich wusste, dass ich eine der besten dort war. Das hat mich wirklich gestört.

Aber dann zog mich einer der Herren später zur Seite und sagte mir: „Es spricht viel gegen dich. Investoren neigen dazu, in Menschen zu investieren, die wie sie aussehen und leider gibt es nicht viele Investoren in diesem Raum, die wie du aussehen. Du musst dir gut überlegen, wie du dein Unternehmen und dich präsentierst und auch wem du es präsentierst. Denn einige Türen werden sich für dich nicht öffnen.” Ich schätzte sein offenes Feedback.

Gleichzeitig hat es mir auch geholfen zu erkennen, dass man manchmal nur seinen eigenen Weg finden muss und es nicht immer einfach oder fair sein wird. Erstaunlicherweise existierte die Lösung, nach der ich gesucht habe, bereits in meiner eigenen Community.

Was kommt als nächstes?

Innocent beim Final Pitch (Credit: Impact Hub/Vodafone Institut)

Fonta: Wir haben kürzlich ein wirklich starkes Entwicklungsteam ins Boot geholt. Dank des unglaublichen Netzwerks meines Co-Founders Innocent haben wir gerade zwei hochkarätige Berater gewonnen. Unser nächster Schritt ist es, gemeinsam mit diesem unglaubliche Team unsere Aktivitäten zu skalieren. Wir verfolgen einen sehr aggressiven Ansatz, um etwas aufzubauen, das sowohl in der entwickelten als auch in der unentwickelten Welt skalierbar ist. Es wird nicht einfach werden, aber wir sind sehr gespannt darauf.

Wenn du angehenden Unternehmerinnen einen Tipp geben könntest, was wäre das?

Fonta: Ich würde ihnen zwei Dinge sagen. Eines ist etwas, das mein Vater immer von meiner Großmutter zitiert: „Seht es, glaubt es und dann tut es.“ Und ich habe das Gefühl, dass es für uns als Frauen unüberwindbare Barrieren und so viele Gründe gibt, warum etwas keine gute Idee ist. Aber wenn man es sich vorstellen kann und man es tatsächlich glauben kann, dann kann man wirklich alles umsetzen. Viele der erfolgreichsten Leader und Athleten nutzen diese Technik. Wir Frauen sind unglaublich mächtig.  Die Hindernisse, mit denen wir konfrontiert sind, wie Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, ungleiche Bezahlung und Sexismus, machen uns eigentlich stark. Ich lebe nach dem Kodex: Wenn du es sehen und glauben kannst, kannst du es erreichen. Das wäre das erste, was ich angehenden Unternehmerinnen sagen würde. Und es spielt eigentlich keine Rolle, was man danach noch sagt.

Die zweite Sache ist: Macht “Babysteps” – so kommt ihr von A bis Z, auch wenn es länger dauert, als ihr es euch wünscht. Ich musste das auf die harte Tour lernen, denn ich bin ein großer Denker, sehr strategisch, und ich bin gerne aggressiv in dem, was ich verfolge. Aber es geht um die Ausführung der kleinen Dinge, immer und immer wieder, um den gewünschten Fortschritt zu erzielen.

Das Interview führte Christina Richter von FIELFALT, der Community und dem Blogazine für Female Empowerment. FIELFALT möchte Frauen ermutigen, ihre Komfortzonen zu verlassen, um etwas zu wagen und ihre Ziele und Träume zu verwirklichen.