Ethik und Technologie während einer Pandemie

Ethik und Technologie während einer Pandemie

In der achten Ausgabe des "AI&I" vTalk diskutierte Expertin Alena Buyx unter anderem den Erfolg und die Mängel der COVID-19 Tracing-Apps.

Professorin Alena Buyx, Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Technischen Universität München und Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, war in der digitalen Veranstaltungsreihe des Vodafone Instituts zu Gast, um Einblicke in die Arbeit einer Medizinethikerin während der COVID-19-Pandemie zu geben. Nach einer kurzen Begrüßung durch Inger Paus, Geschäftsführerin des Instituts, übergab diese das Wort an Professor Alexander Görlach, der das Gespräch anschließend moderierte.

Prof. Dr. Alexander Görlach und Alena Buyx sprachen über Technologie und Ethik während der COVID-19 Pandemie. (Foto: Vodafone Institut)

Auf die deutsche Corona-App angesprochen, betonte Buyx, dass diese aus ethischer Sicht sehr gut durchdacht sei und alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Sie erwähnte, dass ein so reibungsloser und schneller Erstellungsprozess vor 20 Jahren nicht möglich gewesen wäre, da damals noch keine Diskussionen über die ethischen Fragen, die mit solchen Technologien einhergehen, geführt wurden.

Wie überzeugt man zum Teilen der Gesundheitsdaten?

Trotzdem behauptet Buyx, dass das volle Potenzial der App noch nicht ausgeschöpft wird, solange die Nutzer:innen nicht bereit sind, mehr persönliche Daten – insbesondere ihren Infektionsstatus – zu teilen. Nur wenn die Menschen mit ihren Informationen transparent sind, ist es möglich, Infektionsketten nachzuvollziehen und sie letztlich zu durchbrechen. Buyx erklärte, dass dies das perfekte Beispiel für ein häufig auftretendes Dilemma in der Bioethik sei, bei dem Entscheidungsträger:innen zwischen der Achtung der persönlichen Freiheit des Einzelnen und der Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen abwägen müssen. Dieses Problem könnte gelöst werden, indem die App etwas weniger diskret gestaltet wird, so dass sie die Nutzer:innen regelmäßig daran erinnert, ihre Daten zu teilen.

Ein weiterer umstrittener Aspekt der Corona-Apps ist die Frage, ob sie als eine Art „Immunitätsausweis“ verwendet werden könnte. Buyx betont, dass es sinnvoll sei, verlässliche Informationen über den eigenen Gesundheitszustand zu teilen, es aber gleichzeitig notwendig sei, mögliche Diskriminierungen, die sich daraus ergeben, zu verhindern. Wenn nicht-immune Menschen beispielsweise den Zugang zu Arbeitsmärkten oder öffentlichen Räumen verlieren, würde die App eine Zweiklassengesellschaft schaffen und die Ungleichheiten, die die Pandemie bereits offengelegt hat, weiter vertiefen.

Die Pandemie rechtfertigt kein autoritäres Regieren

Professor Alena Buyx ist derzeit Mitglied des Expertenbeirats der Weltgesundheitsorganisation für die Entwicklung von Standards für die Genomanalyse. (Foto: Deutscher Ethikrat)

Als sie nach ihrer persönlichen Meinung gefragt wird, ob sich demokratische Systeme zur Bekämpfung einer solchen Pandemie eignen, machte Buyx deutlich, dass sie nicht nachvollziehen kann, wie autoritäre Regierungen damit besser umgehen sollen. Erfolg lässt sich nicht nur an der Effektivität messen, sondern es geht letztendlich darum, wie Menschen behandelt werden. Weltweit sei beobachtbar, dass Mitglieder demokratischer Gesellschaften wohlhabender, gesünder und gebildeter sind. Diese Staaten stehen jetzt vor vielen Herausforderungen, von der Verbreitung von Fake News bis hin zum Aufstieg unkontrollierbarer Technikgiganten, aber sie haben das Potenzial, aus dieser Krise gestärkt hervorzugehen.

AI&I vTalk mit Alena Buyx – Nachzuschauen auf dem YouTube Kanal des Vodafone Instituts

Sehen Sie weitere Diskussionen aus der „AI&I“ Veranstaltungsreihe

Das Vodafone Institut hat 2018 in Berlin die Veranstaltungsreihe AI&I“ gestartet, um eine Plattform für konstruktiven und interdisziplinären Dialog über die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf unsere Gesellschaft und Wirtschaft zu schaffen. Um eine vielfältige Debatte anzuregen und die Entscheidungsträger zu informieren, diskutierten wir bereits mit renommierten Forschern wie Vinton G. CerfPascal FinetteNuria OliverSir Martin Rees, Sir Nigel ShadboltAudrey Tang und Luciano Floridi.