Die digitalisierte Verwaltung kann leichter Daten zwischen Behörden auszutauschen. Der Bürger muss sie höchstens einmal eingeben – «ask only once» heißt ein Prinzip der estnischen Verwaltung. In Deutschland sind die Daten noch auf Aktenschränke verstreut – Schätze, die nur darauf warten, zum Wohl der Bevölkerung ausgewertet zu werden?
Der Staat könnte mehr Daten erheben und zusammenführen: Verwaltungsdaten, Vorratsdaten, Gesundheitsdaten. Die Verwaltung würde im besten Fall effizienter werden und unser Leben bequemer: Big Data for President. Laut Sikkut rückt die staatliche Auswertung von Daten die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger in den Vordergrund.
Software könnte aus den besuchten Webseiten errechnen, was uns beschäftigt. Die Analyse von Gesundheitsdaten würde frühe Hinweise auf Krankheiten erlauben, Anomalien bei Einkommen und Steuer fielen schneller auf. Prognosen aller Art ließen sich erstellen. Die Polizei wäre dank Algorithmen schon vor dem Verbrechen am Tatort.
Aber auch die Kehrseite der Big-Data-Medaille sei betrachtet: Eine staatlich finanzierte Datenerhebung und -auswertung würde den Einzelnen in der Gesellschaft noch weiter durchleuchten. Die Geheimdienste freuen sich. So laufen wir Gefahr, durch Optimierungsdrang die Privatsphäre zu verdrängen.
Auch bei technischer Anonymisierung ließe sich dank der Datenmenge rückwirkend ein Personenbezug herstellen. Auch für Daten in öffentlicher Hand gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Jeder Verarbeitung der eigenen Daten muss explizit zugestimmt werden. Zudem darf nicht benachteiligt werden, wer nicht online ist.
Daten werden mit Blick auf ihren Warencharakter oftmals als das «neue Öl» propagiert. Solch eine Betrachtung greift zu kurz: Daten sind das digitale Abbild unseres Selbst, dessen Würde laut Grundgesetz unantastbar ist. Keine Frage, die Wirtschaft würde sich über die Gelder zum Aufbau einer digitalen Verwaltung freuen. Doch Vorsicht: All die Daten könnten eines Tages gegen uns verwendet werden.
Angriffe auf IT-Systeme nehmen weltweit zu. Estland gibt Gesundheitsdaten noch nicht an Dritte weiter, der Bürger kann auch grundsätzlich die Weitergabe bestimmter Einträge in seinem Gesundheitsprofil blockieren – aber nur bis zum nächsten Datenleck. Zu viele Sicherheitsfunktionen gehen meist wieder auf Kosten der Benutzbarkeit. Eine komplett vernetzte Verwaltung erhöht die Angriffsmöglichkeiten weiter. Daten können manipuliert oder von Kriminellen und Geheimdiensten abgegriffen werden, es gibt viele Unwägbarkeiten.
So auch bei elektronischen Wahlen, die nicht nur für im Ausland lebende Bürger attraktiv scheinen: Eine Überprüfung des estnischen elektronischen Wahlsystems hat erhebliche Mängel festgestellt, die Wahlsoftware ist unter Sicherheitsaspekten unbrauchbar. Wahlen müssen zudem nachvollziehbar sein. Computersysteme sind das nur bedingt: Sie sind nicht nur manipulierbar, sondern auch undurchsichtig.