Auch Neugier sei ein wesentliches Anschaffungsmotiv, zitierte Schneider eine Yougov-Umfrage aus dem vergangenen Jahr. Demnach wäre ein Gros der Nutzer auch durchaus damit einverstanden, Dritten einen Zugriff auf ihre Daten zu gewähren – allerdings nur ausgewählten. Während etwa zwei Drittel eine Verwendung durch den Hausarzt gutheißen würden, wünscht nur ein Viertel eine Weitergabe der Daten an die Krankenkasse und beim Arbeitgeber tendiert die Zustimmung stark gegen null.
Nichtsdestotrotz besteht bei den Versicherern großes Interesse an den Fitnessdaten: TK-Chef Jens Baas sorgte Anfang Februar für Aufregung als er vorschlug, auch diese in einer elektronischen Patientenakte der Mitglieder zu speichern. Schneider sieht in derartigen Überlegungen eine Gefahr: „Bisher sind Fitnesstracker Gadgets: Man kann sie tragen oder nicht. Je mehr sie jedoch in Systeme einbezogen sind, desto stärker stellt sich die Frage der Freiwilligkeit.“
Entspringt die Anschaffung noch dem Wunsch nach Selbstkontrolle oder spielen eher sozialer Druck, Druck durch Prämienmodelle der Krankenkassen oder vom Arbeitgeber die Schlüsselrolle? Schneider berichtete von Fällen in den USA, in denen schon jetzt Firmen ihre Mitarbeiter drängen, Fitnesstracker zu tragen, um von den Versicherungen günstigere Gruppenkonditionen zu bekommen.
Die Politologin warnte: „Wir müssen aufpassen, dass solche Gadgets nicht zur Entsolidarisierung führen.“ Bisher ist Krankheit, zumindest in den gesetzlichen Kassen, ein solidarisch abgesichertes Risiko. Alter, Geschlecht und Risikofaktoren spielten für den Beitragssatz keine Rolle. Schneider sieht die Gefahr, dass die Verwendung von Big Data zu Social Sorting führen könnte, also der Bildung von Risikogruppen anhand bestimmter Merkmale, für die dann höhere Beiträge verlangt werden.
Zudem könnten etwa besagte Trackerdaten zur Folge haben, dass Krankheiten stärker auf das individuelle Gesundheitsverhalten zurückgeführt würden und soziale wie umweltbedingte Determinanten unberücksichtigt blieben. Erkrankungen könnten künftig als selbstverschuldet gesehen werden.
Menschen, die nicht ständig etwas für ihre Gesundheit tun, im Extremfall sogar aus Versicherungen ausgeschlossen werden. „Dabei wird vergessen, dass Gesundheit auch sehr viel mit Schicksal zu tun hat“, klagt Schneider.
Versicherer Klose stand der Thematik Fitnesstracker naturgemäß entspannter gegenüber und betonte, er glaube nicht daran, dass diese zur Pflicht werden könnten. Die AOK brachte erst im Januar eine App auf den Markt, mit der die Mitglieder für ihre mittels Trackern erhobenen Fitnessaktivitäten Bonuspunkte erhalten, die sie in Geld- oder Sachprämien umwandeln können. Es gehe dabei um Belohnung für die Teilnahme und nicht um Bestrafung der Nichtteilnahme. „Das sind zwei Seiten einer Medaille“, konterte Schneider.
Als weiteres Problem für den Patienten, das beim Einsatz von Big Data gelöst werden muss, offenbarte sich in der Diskussion von Datenschutz. Alle drei Diskutanten betonten dessen Bedeutung, allerdings bis zu unterschiedlichen Grenzen. So erklärte etwa von Kalle: Der Datenschutz dürfe nicht soweit ausgedehnt werden, dass dabei der Patientenschutz gegen die Erkrankung verloren geht.