„Digitalisierung rechnet sich“

„Digitalisierung rechnet sich“

Dezentralen Netzwerken gehört die Zukunft: Technologie-Experte Prof. Hartmut Schmeck skizziert auf dem „Digitising Europe“-Summit den Energiemarkt der Zukunft.

Herr Schmeck, wenn Maschinen getaktet produzieren – warum müssen sie dabei pausenlos Daten sammeln, die belegen, wie wunderbar alles läuft?

Schmeck: Damit es weiterhin so wunderbar läuft. Mit genügend Daten lässt sich für jede Maschine bestimmen, wann sie rund läuft und wann nicht. Sobald aus den Daten herauszulesen ist, dass sich etwas verändert – weil etwa die Temperatur auffällig sinkt oder steigt –, kann ich aktiv werden. „Predictive Maintenance“ lautet das Fachwort dafür: Ich repariere, bevor etwas kaputtgeht. Das spart nicht nur Wartungskosten, sondern auch die wesentlich höheren Ausfallkosten, sollte die Produktion wegen einer defekten Maschine stocken. Ohne Dateninformation müsste das Service-Team erst mühsam herausfinden, was überhaupt kaputt ist und woran es liegt. Das kostet Zeit – und Geld.

Was raten Sie Unternehmen, die zögern, in Digitalisierung zu investieren?

Schmeck: Traut euch! Weil es sich rechnet. Wer sich etwa einen Energieberater in den Betrieb holt, erhält kurz darauf eine Liste mit Eingriffsmöglichkeiten, um Energie zu sparen oder sinnvoller damit umzugehen. Das erfordert natürlich Investitionen, aber die haben sich häufig spätestens nach zwei Jahren amortisiert.

Ihr Spezialgebiet ist der Energiesektor. Warum ist Big Data in dieser Branche so wichtig?

Schmeck: Die grundsätzliche Frage lautet seit jeher: Wie tarieren wir Angebot und Nachfrage so aus, dass jeder verlässlich immer genügend Strom bekommt? Früher gab es in Deutschland hunderte von Kraftwerken, die von einer Handvoll Unternehmen gesteuert wurden. Heute gibt es tausende und abertausende Kraftwerke: Windräder auf den Feldern, Solarzellen auf den Dächern, Blockheizkraftwerke im Keller … Um diese Energie zu nutzen und dabei den Strom effizient zu verwalten und zu verteilen, müssen wir das gesamte System digitalisieren. Wir brauchen ein „Smart Power Grid“, das möglichst viele sinnvolle Daten sammelt, analysiert und so gezielt den Stromfluss steuert – und zwar nicht als zentrale Instanz, sondern an vielen dezentralen Schnittstellen.

Ist die deutsche Politik auf dem richtigen Weg zum „Smart Power Grid“?

Schmeck: Viele deutsche Unternehmen, kleine wie große, haben längst verstanden, wie wichtig und lukrativ ein sinnvoller Umgang mit Energie ist. Bei der Bundesregierung bin ich mir nicht mehr so sicher. Sie hat mit der Energiewende ein großes und sinnvolles Projekt angeschoben. Aber nun sehen die Energiekonzerne ihre Macht und ihre Dividenden schwinden und bedrängen die Politik, die Energiewende würde Arbeitsplätze kosten. Und schon drückt die Politik auf die Bremse. Im Grunde steht die Energiewende still. In anderen Ländern sind die Politiker weniger zögerlich. Sie haben den Anfangsschwung der Deutschen aufgegriffen – und sich eben nicht beirren lassen. Die ziehen das durch. Daran könnten sich deutsche Politiker ein Beispiel nehmen. Wir haben hier in Deutschland durch die Energiewende die Chance, mit „Rückenwind“ die Konzepte und Technologien für die Energiesysteme der Zukunft zu entwickeln. Aber wenn wir hier nicht eine klare Strategie entwickeln und zügig vorangehen, besteht die Gefahr, dass uns andere überholen.

Hartmut Schmeck

Prof. Hartmut Schmeck (m.) sieht vor allem die Chancen der Digitalisierung – hier ist er als Gast des Düsseldorfer „Gigabit-Summit“ 2016 zu sehen (Foto: Vodafone Institut)

Prof. Dr. Hartmut Schmeck lehrt Angewandte Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und ist Direktor des FZI Forschungszentrums Informatik. Als aktives Mitglied in mehreren Projekten treibt Schmeck die Entwicklung intelligenter Systeme in zukünftigen Energienetzen voran.

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